Eilvese, Großfunkstelle

Marconi war es gelungen, 1899 den Ärmelkanal und 1901 den Atlantik drahtlos zu überqueren. 1902 wurde das erste Funktelegramm mit einem zusammenhängenden Text von Cornwall über den Atlantik gesendet. Auf Drängen des Kaisers, Wilhelm II., kam es zur Gründung der „Gesellschaft für drahtlose Telegraphie mbH“ in Berlin. Die Stammfirmen AEG und Siemens & Halske wurden mit der Schutzbezeichnung „Telefunken“ weltweit bekannt.

Die Marconi-Gesellschaft errang eine monopolartige Stellung. Die Funker der Marconi-Gesellschaft hatten die Anweisung, nur mit Stationen, die von der Gesellschaft ausgerüstet waren, in Funkkontakt zu treten. Ein eklatantes Beispiel stellt die Weigerung der Weitergabe eines Funktelegramms des Kaisers durch den Funker der Marconi-Station auf Borkum dar. Kaiser Wilhelm II. befand sich im Jahre 1905 mit dem Dampfer „Hamburg“ auf einer Reise ins Mittelmeer und wollte vor Verlassen der deutschen Gewässer ein Funktelegramm an die auf Sizilien wartende Kaiserin senden. Der Funker der Marconi-Gesellschaft auf Borkum verweigerte die Weitergabe, da die „Hamburg“ nicht mit der ausgestatteten Marconi-Funkanlage, sondern mit der zusätzlichen für die Kaiser-Reise installierten eigenen Anlage. Der Kaiser verfügte sofort die Schließung der Station Borkum und die Errichtung der Küstenstation-Funkstelle durch die Deutsche Reichspost in Norddeich.

Der Kampf gegen das Monopol der Marconi-Gesellschaft begann 1908 als Telefunken zehn deutsche Passagierdampfer mit Funktelegrafen ausrüstete. Man bediente sich auch in Deutschland einer großen Station. Die Überlegungen waren eine Großstation, etwa 150 km von der Küste entfernt, um die Küstenstation Norddeich nicht zu stören, zu errichten. Ferner sollte sie auf einem Boden stehen mit hochreichendem Grundwasser zur Erdung. Beide Forderungen erfüllte der 35 km nordwestlich von Berlin gelegene Ort Nauen im havelländischen Luch.

Am 20.06.1914 wurde eine weitere Großfunkstelle des Deutschen Reiches eröffnet. Die Eröffnung dieser Funkstation fand mit einem Telegramm von Kaiser Wilhelm II. an den amerikanischen Präsidenten Wilson statt. Der Kaiser war persönlich in Eilvese anwesend. Die tatsächliche Eröffnung der Funkstation in Eilvese war am 14.10.1913, bevor Nauen 4 Tage später auf Sendung ging. Der Funkenturm in Eilvese war mit 258 m das derzeit das höchste Bauwerk in Deutschland.

Lage

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Im sogenannten „Toten Moor“ in der Nähe der Ortschaft Eilvese (jetzt ein Ortsteil von Neustadt a.Rbge. 25 km nordwestlich von Hannover gelegen) fand man den geeigneten Ort für eine weitere Großfunkstelle. Der Hauptmast hatte eine Höhe von 258 m und ein Gewicht von 40.000 kg. Er war aus Teilen zusammengesetzt, einem unteren von ca. 150 m Höhe und einem oberen von ca. 100 m Höhe.

Dieser Funkenturm ruhte auf einer Halbkugel in einer Schale. Die Gleichgewichtslage des Mastes wurde durch je drei Pardunen gesichert, die in 175 m Entfernung von ihm verankert waren. Wie in Nauen, so hatte man auch hier für die Pardunen keine gewundenen, zusammengedrehten Stahlseile, sondern Seile aus parallelgerichteten Drähten verwendet, da diese unter der Wirkung der Kräfte keine bleibenden Dehnungen mehr annahmen. Rund um den Hauptmast herum waren in einem Umkreis von 460 m sechs weitere Masten, sogenannte „Rendahlmasten“ von je 122 m Höhe aufgestellt, die wie der Hauptmast auf Spitzen ruhten und ebenso wie er durch Pardunen abgespannt waren.

Die sieben Masten trugen die beiden Antennen, von denen die eine als Schirmantenne ausgebildet war, während die andere in Form einer Ringantenne um die Schirmantenne herumlief. Die Antennen hingen an Stahlseilen, die auf Rollen über die Spitze des Hauptmastes hinweg liefen. Ebenso liefen die über die Rendahlmasten hinweg führenden Seile auf Rollen. Um dem Antennengebilde die Möglichkeit zu geben, sich von den Schwankungen der Temperatur anzupassen, war es von sechs je 1.500 kg schweren Gewichten gespannt.

Das Telegramm vom Kaiser Wilhelm II. an den Präsidenten der USA, Woodrow Wilson, wurde von der Gegenstation zu Eilvse in Tuckerton (New Jersey) empfangen. Die Anlage in Tuckerton entsprach genau der in Eilvese und wurde von der deutsche Hochfrequenzmaschinen AG errichtet. Alle Teile des Mastes wurden von Deutschland per Schiff nach Amerika gebracht. In Eilvese wie auch in Tuckerton kamen Hochfrequenzmaschinen von Prof. Goldschmidt zum Einsatz. Tuckerton erhielt das Rufzeichen WGG und Eilvese die Buchstaben OUI.

Das Tasten und Steuern der Großfunkstellen geschah nicht in Eilvese oder Nauen, sondern in Berlin in den Räumen von Transradio (gegr. 1918) Und es fand noch eine weitere Trennung statt: Die Teilung in Sende- und Empfangsanlagen. Die Großfunkstelle Eilvese hatte ihre Empfangsstation in Hagen (heute auch ein Ortsteil von Neustadt a.Rbge.) Der Grund für die Trennung der Anlagen war wirtschaftlich bedingt. Während man empfing, konnte die Sendeeinrichtung nicht benutzt werden. Mit der Trennung der Anlagen, wo also die Empfangsanlagen ihre eigenen Antennen besaßen, war Duplex- oder Gegensprechen möglich.

Die drahtlose Telegrafie war 1923 auf dem Höhepunkt ihrer Geschichte. Die Großfunkstelle wurde im Laufe der Jahre mehrmals umgebaut. Die Anlage entsprach nicht mehr der Technik und wurde daher im Jahre 1931 abgebaut. Heute sind nur noch Grundmauern, einige Mauerreste und ein ehemaliges Verwaltungsgebäude, als Wohnhaus umgebaut, vorhanden.

Fotos: Gerhard Kulawenski, Postkarte: Sammlung G. Kulawenski

Fundstellen: Wikipedia