Es gibt viele Geschichten, Dokumente und auch Internetseiten zur Beschreibung der Burg, Festung und Stadt Nienburg. Hier soll das Rad nicht neu erfunden werden und etwa eine neue Geschichte entstehen. Wenn vorhanden, erfolgen Hinweise auf die Fundstellen, wo man sich genauer über die Thematik informieren kann. Die Bücher “Festung Nienburg” (Schriften des Museums Nienburg) und “Nienburg – Eine Stadtgeschichte” von Mark Feuerle (herausgegeben von Edition Temmen) sind historische Fundgruben; spannend und lesenswert.
Wilhelm Dismer aus Nienburg erzählte in seinem Buch “Geschichten und Sagen aus alten Tagen” von dem Zimmermann der aus Bremen kommend vor der Weserbrücke stand und die Mauern der Festungsanlage bestaunte. Ein Merian aus dieser Zeit zeigt diese Ansicht.
Nachdem der reisende Zimmermann dem mürrisch dreinblickenden Torwächter sein Anliegen erklärte und über die Strapazen seiner bisherigen Reise berichtete, wurde ihm Einlaß gewährt. “Wahrlich junger Freund” entgegnete der Torwächter “Ihr hättet aus jeder Richtung in unsere Stadt kommen können, denn Nienburg verfügt über vier Stadttore”. Er zeigte auf einen Grundrissplan der Festungsanlege und beschrieb die darin eingezeichneten Tore wie folgt: ”Im Norden befindet sich das Nordertor, im Osten das Leintor, im Süden das Mühlentor und und im Westen das Wesertor, durch das Ihr gerade die Stadt betreten wollt”. Der Torwächter prüfte die Papiere des Handwerksburschen, gab ihn Hinweise zu Herbergen und ließ ihn passieren.
Ein weiter Merian zeigt die Stadt mit den Festungsanlagen aus Richtung des Nordertores etwa um 1650. Im Vordergrund erkennt man auch den heute noch vorhanden Galgenberg.
Bevor sich unser Zimmermann in der Herberge ausruhen durfte, mußte er sich im Rathaus polizeilich anmelden. Das gab es zu damaliger Zeit schon! Es schrieb eine bereits im Jahre 1596 vom Grafen Erich erlassene Polizeiverordnung vor, wie man sich in der Stadt Nienburg zu verhalten hat. Das waren so viel Vorschriften die er da zu hören bekam, die er sich nicht alle auf einmal merken konnte. Auf dem Wirtschaftshof angekommen staunte er nicht schlecht, als er erfuhr wer da alles wohnte: Insgesamt über 100 Personen, die für die Logistik und Instandhaltung der Festung Nienburg sowie zur Versorgung der Truppen in Lohn und Brot standen.
Der Weg vom Wesertor zum Rathaus führte durch die Weserstraße. Es war zu damaliger Zeit eine der Haupteinfallstraßen, von wo sich die Lange Straße abzweigte. Von der Langen Straße führten wiederum Straßen zu den jeweiligen Einfallstraßen der anderen bereits genannten Stadttore, zur Kirche, zum Schloßplatz und zum Posthof. Die Festungsanlage hatte unzählige Bastionen und kleinere Schanzen, die alle durch Wehrgänge miteinander verbunden waren.
In früheren Zeiten standen 2 Kompanien, also etwa 100 Personen unter Waffen, um die Festung Nienburg militärisch zu besetzen. In Kriegszeiten wurde die Besetzung durch “allerlei Kriegsvolk” verstärkt. Wie das funktionierte, zeigt die Überlieferung aus dem 30-jährigen Krieg, als Feldherr Tilly von der Katholischen Liga mit 40.000 Soldaten die Stadt belagerte.
Dreißigjähriger Krieg
Bereits 1623 verlegte der Herzog Georg von Calenberg als General des Niedersächsiischen Reiches mit seinen Truppen in die Stadt. Unter dem Befehl von Oberst Isaac Lardin von Limbach rückten 3.000 Mann in die Stadt ein. In den umliegenden Dörfern wurde intensiv die Werbetrommel geschlagen und durch viele Versprechen, die nie eingehalten werden konnten, wurden 7000 Mann unter Waffen gebracht.
Die 3000 Dänen haben sich zusammen mit den Nienburger Bürgern tapfer geschlagen. Trotz ständiger Angriffe der Tillyschen Kanonen wurde die Stadt nicht zur Aufgabe gezwungen.
Dat wählige Rott
Eine Gruppe verwegener Landsknechte – “Dat wählige Rott” – wagten es sogar, aus dem Feldlager Tillys ein Zelt zu stehlen. Bürger unter Waffen zur Verteidigung und das Tillyzelt spielen auch heute noch eine große Rolle bei dem alljährlichen Scheiben-schießen der Stadt Nienburg/Weser.
Bastionen, Halbe Bastionen und Ravelins
Ab etwa dem 16. Jahrhundert entstanden, durch die Erfindung und dem Gebrauch des Schießpulvers in ganz Europa Festungsformen, die auch auf dem Festungsplan von 1754 zu erkennen ist. Der Festungskern wurde durch den Hauptwall umgeben, in dem die Bastionen und Halben Bastionen eingebaut waren. Davor lag nur noch der Festungsgraben und die Ravelins als besonderer Schutz der Tore. Der Festungszeichner Matthai Seutter beschreibt in der Legende des Festungsplanes von Nienburg die Anzahl von “Sechs ganzen und fünf halben Bastions”)
Die Bastion “Das neue Bollwerk hinterm Laboratorio” lag etwa dort, wo sich heute das Filmtheater befindet. Rechts hievon lagen die Bastionen “Auf den Kuhlen” und “Auf der scharffen Ecke”. Hiervon sind heute keine Spuren mehr erkennbar. Am Standort der ehemaligen Bastion “Hinter Holz-Hofe” macht die Aue einen scharfen Knick und eine damals vorhandene Bastion läßt sich erahnen.
Bastion Christian Ludwig (Bastion Hoffnung)
Von den vielen Wallanlagen und Bastionen der Festung Nienburg blieb nach der Schleifung durch die Französischen Truppen nur das untere Mauerwerk der Bastion Christian Ludwig erhalten. Namensgeber dieser Anlage war der Herzuog zu Braunschweig und Lüneburg Christian Ludwig. Die dicken Steinquader dieser Anlage zeugen noch heute von der Stärke der Festungsanlage.
Namensgeber dieser Bastion war der Herzog zu Braunschweig-Lüneburg Christian Ludwig. Ein heute noch vorhandener Reliefstein zeigt die Jahreszahl 1662 mit den Initialen C L (Christian Ludwig), die auf die Fertigstellung dieser Anlage hinweisen. Auch nach einer Umgestaltung des ehemaligen Wallgürtels im 19. Jh. blieb die Bastion in der Ursprungsform erhalten.
Für die Studenten der 1853 in Nienburg gegründeten Baugewerkschule, aber auch für den Rest der jugendlichen Bevölkerung Nienburgs war die Bastion ein beliebter Treffpunkt für Verliebte Paare. Mit der Verabredung „wir treffen uns auf der Hoffnung“ erhielt dieBastion im Laufe der Zeit eine inetrne Namensänderung. Die Nienburger Bürger kennen diesen Platz mit der heutigen Bezeichnung Bastion Hoffnung, der zu den schönsten Plätzen der Stadt gehört.
Bastion Georg Wilhelm (Kuhschanze)
Etwas weiter im Norden, unterhalb der heutigen Weserbrücke befand sich die Bastion Georg Wilhelm. Die Bezeichnung ging im Laufe der Zeit in “Kuhschanze” über. Die Bezeichnung entstand, da an diesem Weserufer die Kuhweiden der Nienburger Bauern lagen.
Namensgeber dieser Anlage war der Herzog zu Braunschweig-Lüneburg Georg Wilhelm (ein Bruder Christian Ludwigs). Die Befestigung wurde im gleichen Zeitraum errichtet, wie die Bastion Christian Ludwig.
Nach der Schleifung der Festung Nienburg blieb auch hier nur der unterste Mauerteil erhalten.
Im Jahre 1872 errichtete ein Deutsch-Amerikaner aus Langendamm auf dem Gelände der Bastion Georg Wilhelm eine prunkvolle Villa. Hier wohnte von 1892 bis 1930 der Nienburger Bürgermeister Stahn.
1949 ging das Anwesen an ein örtliches Stromversorgungsunternehmen, die die Villa abbrechen ließ.
Lediglich die Umzäunung mit der Toreinfahrt erinnern an diese Zeit.
Halbe Bastionen
Halbe Bastionen waren kleiner Wehranlagen und befanden sich im südlichen Bereich der Festung Nienburg. Die “Halbe Bastion auf dem Maibaum” befand sich am Auewall. In der Nähe der Mühle lag die “Halbe Bastion hinter der Mühle”. Weiter Anlagen waren die halben Bastionen “Hinter den Baracken”, “Hinter der Schmiede” und “Beim Weser-Thor” lagen am Weserwall zwischen Mühle und der damaligen Weserbrücke (Weserstraße).
Ravelins
Die Tore der Festung Nienburg wurden durch vorgelagerte Stellungen – Ravelins – geschützt, die ständig mit Soldaten besetzt waren. Das “Ravelin vor dem Nieder-Thor” befand sich zwischen dem Filmtheater und der Gaststätte am Stahn-Wall. Ein weiteres Ravelin befand sich am Wesertor, auf der westlichen Seite der Weser.
Zeittafel
- 800 – 900 Aufgabe der Walkenburg – Bau der Neyborch = Neue Burg
- 1025 Erste urkundliche Erwähnung Nienburgs
- etwa 1350 Bau einer massiven Stadtbefestigung (Burganlage mit Mauern)
- 1357 – 1557 Die Pest wütet in Europa
- 1514 Ein Großbrand legt die Innenstadt in Schutt und Asche
- etwa 1550 Es wird über Befestigungen wie Wälle, Werke und Türmen berichtet
- 1618 – 1648 Dreißigjähriger Krieg
- 1622 Vorbereitung der Stadt zur Verteidigung (Bewaffnung/Proviant/Wachen)
- 1627 Ältester vorhandener Festungsplan noch ohne militärische Ausbauten
- 1627 – 1634 Verstärkung der Festungsanlagen durch Bastionen und Ravelins
- 1655 – 1662 Weiterer Ausbau der Festung
- 1654 Festung Nienburg wird zur Hannoverschen Landesfestung
- 1734 – 1741 Modernisierung der Festung nach neustem Stand der Kriegsführung
- 1756 – 1763 Siebenjähriger Krieg
- 1757 Nienburgs “Franzosentied” bis 28.02.1758
- 1803 – 1805 Nienburg wird erneut durch französdische Truppen besetzt
- 1806 Befehl von Napoleon Bonaparte zur Schleifung der Festung Nienburg
- 1808 Die Schleifung der Festung Nienburg ist beendet
Quellenangaben
- Geschichte und Sagen aus alten Tagen, Wilhelm Dismer, ca. 1950
- Sparkasse Nienburg – Gruß aus Nienburg – auf alten Ansichtskarten – 1983
- Bürger und Soldaten – Geschichte der Garnisonsstadt Nienburg, H. u. W. Ziegler 1984
- Festung Nienburg, Schriften des Museums Nienburg Band Nr. 16
- Nienburg – Eine Stadtgeschichte, Mark Feuerle, Verlag Edition Temmen
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