Nienburg, Walfischrippen am Weserwall

In alten Akten u. Zeitschriften geblättert

Die ”Walfischrippen” am Weserwall von Hermann Ziegler

Nur die älteren Semester werden sich noch an sie erinnern, an die ”Walfischrippen” am Weserwall auf der Bastion ”Christian Ludwig”. Diese Bastion nannte sich ab etwa 1850 auch ”Hoffnung”. Die hier über einen Weg, der zur Bastion führte, aufgestellten ”Rippen” waren eine Besonderheit und auch eine Merkwürdigkeit in der Stadt Nienburg; allerdings waren es keine Rippen, wie die Nienburger immer sagten, sondern vielmehr die Kieferknochen eines Wales.

Wilhelm Siebert schreibt in seinem Buch ”Der hohe Wall”: ”Sie sind etwa um das Jahr 1860 vom Lehrer Gade gesetzt worden, dem bekannten Geschichtsschreiber unserer näheren Heimat. Gade hat die Walfischrippen von einem Freunde, der von einer Reise in die nördlichen Meere zurückgekehrt war, zum Geschenk bekommen und sie dann an dieser Stelle aufgestellt.” Siebert spricht auch noch von Walfischrippen; im Binnenland wusste man damals noch nicht, dass es sich hier um Kieferknochen eines Wales handelte.


Auf der ”Hoffnung” wurden sie zu einem beliebten Anziehungspunkt für jung und alt. Selbst Ansichtskartenhersteller verwendeten die Kieferknochen als Motiv für ihre Karten. Oft photographierten dort auch Eltern ihre Sprösslinge, und mancher Baugewerker ließ sich dort mit seiner Liebsten ablichten. In alten Photoalben und in Zigarrenkästen dürften deshalb noch etliche Aufnahmen von den ”Walfischrippen” schlummern. Auch als Treffpunkt wurden die ”Rippen” gern gewählt; es hieß dann: ”Wir treffen uns unter den Walfischrippen”. Es gibt wohl keinen Baugewerker, der in den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht des öfteren an den ”Rippen” vorbei gegangen ist, zumal die Schule in der Nähe lag.


Ende der dreißiger Jahre hatten die ”Walfischrippen” durch die Einflüsse der Witterung sehr stark gelitten; die Knochen begannen zu zerbröckeln, und es bestand die Gefahr, dass der knöcherne Bogen eines Tages zusammenbrechen würde. Es gab damals noch kein Konservierungsmittel mit dem die Knochen dauerhaft geschützt werden konnten. Um Passanten oder hier spielende Kinder nicht zu gefährden, wurden sie 1945 entfernt. Ein Teilstück soll in das Museum gekommen sein.

Etwa 80 Jahre lang hatten die Kieferknochen einen kleinen Weg auf der ”Hoffnung” überbrückt, und während dieser Zeit war die maritime Hinterlassenschaft eines Freundes des Lehrers Heinrich Gade vom Beginn der Aufstellung an eine Merkwürdigkeit der Stadt Nienburg, denn das Setzen von Kieferknochen eines Wales geschah um 1860 nur in Orten auf den Inseln oder an der Küste, von denen aus damals Walfang betrieben wurde. Viele Nienburger haben den Abbau der Kieferknochen sehr bedauert, war mit ihnen doch manche Erinnerung verbunden.

Hermann Ziegler